15.3.07

Der Fahrrad-Kindersitz

Sitzt ein kleines Kind auf einem Fahrradsitz, dann geht's in den Kindergarten oder wieder nach Hause. Doch der Fahrrad-Kindersitz ist mehr als ein Zweckgegenstand: Wird er nämlich, ungenutzt und damit für den Moment gleichsam als sinnloser Ballast, vom Anzug- oder Kostüm-tragenden Elternteil auf dem Weg ins Büro mitgeführt, ist er eine Metapher für die moderne Väter- und Müttergeneration und strahlt nach allen Seiten hin laut und energisch aus.
Schwebt der Sitz bei Papa überm Gepäckträger, lautet die unausgesprochene Botschaft: Hier kommt der "neue Vater", der Söhnchen oder Töchterchen nicht allein der Frau überlässt. Nebenbotschaft: Die Frau arbeitet auch, und zwar zu solchen Zeiten oder an solchen Orten, dass es organisatorisch besser ist, er kümmert sich um den Transport. Dritte Botschaft: Er bringt ja nicht nur hin, er holt auch ab - und krabbelt dann selbstverständlich mit dem Nachwuchs auf dem Kinderzimmerfußboden herum. Der neue Vater eben.
Ist der Kindersitz hingegen an Mamas Rad anmontiert, ist das einerseits der klassische Fall. Andererseits wird er nun erst recht zum Erfolgssymbol für die vielbeschworene Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Sitz ist zudem der rollende Beleg, dass hier nicht die allseits misstrauscih beäugte "kinderlose Karrierefrau" daherkommt (die ohnehin selten Fahrrad fährt). Auch die endlos vorbeiziehenden Autofahrer werden mit einer Nachricht bedacht: Rast ihr nur hektisch zum Arbeitsplatz, ich befördere derweil gemütlich und ökologisch vernünftig diejenigen, die einmal eure hohe Rente zahlen.
Und gleich, ob der leere Sitz bei ihm oder ihr mitradelt, im Geiste sitzt das Kind doch immer hinten drauf. Der leere Kindersitz ruft allen zu: Seht her, hier ist junges Familienglück. Ätsch, bätsch.