4.4.07

Klima-Weisheiten von Ulrich Beck

Soziologen, so lautet das Klischee, haben ein klares Weltbild. Darin nehmen die bösen Reichen den guten Armen und die bösen kapitalistischen Staaten dem lieben Rest der Welt das Geld weg.
Der Soziologe Ulrich Beck bestätigt das Klischee eindrucksvoll. "Wer mehr verbrauchen will, müsste extra bezahlen", sagt er in einem Interview mit der "taz" kritisch zu Überlegungen in Großbritannien, einen privaten Kohlendioxid-Emissionshandel einzuführen. "Arme Leute wären davon am meisten betroffen. Die könnten dann mit dem Auto nicht mehr hinfahren, wo sie wollen."
Merke: Wenn ein Armer mit dem Auto fährt, hat das keine Auswirkungen. Nur wenn ein Reicher mit dem Auto fährt, ist das klimaschädlich.
Nun würde dieser Emissionshandel ja so funktionieren, dass die Supermarktverkäuferin, die mit dem Bus (oder dem Kleinwagen) zur Arbeit kommt und höchstens mal Ferien in Bornemouth macht, für teuer Geld ihre Emissionsrechte an den Mananger in der Londoner City verkaufen könnte, der täglich mit der Limousine ins Büro, zweimal die Woche nach Manchester und einmal im Monat nach New York fliegt. Aber so weit hat Beck nicht denken wollen, denn dann wären die Armen ja die Gewinner gewesen.
Lieber lässt er sich an seinen Beststeller "Risikogesellschaft" erinnern, der zum Atomunfall von Tschernobyl 1986 erschien und den Nerv der untergangssehnsüchtigen Deutschen traf. Die "Reichen", sagt Beck im Rückblick, seien "auf irgendwelche Inseln" geflüchtet. "Aber sie stellten fest, dass die nukleare Wolke sie dort einholte."
Das ist eine völlig neue Erkenntnis: Bislang nämlich hielt sich die nukleare Wolke nach gängiger Auffassung wochenlang und ausschließlich über dem Bundesgebiet.

Beim Klimawandel gilt laut Beck: "Wird eine Hafenstadt infolge des steigenden Meeresspiegels überschwemmt, bauen sich die Wohlhabenden neue Häuser auf den Hügeln. Die Armen haben diese Möglichkeit nicht."

Preisfrage: Die Regierungen welcher Länder werden im Falle des Falles als letzte der breiten Masse helfen - A: amerikanische, asiatische und europäische Demokratien, B: nahöstliche und afrikanische Theokratien, Autokratien und Diktaturen?

"Wohlhabenden", fordert Beck, "sollte man einen höheren Beitrag für den Klimaschutz abverlangen als armen." Glückwunsch. Genau das ist die Idee des Emissionshandels - aber innerhalb der Industrie, nicht unter Individuen, denn letzterer wäre nur in einem Orwell-Staat kontrollierbar. Allerdings kann Beck dann immer noch im Chor mit "Bild" jammern, nur Reiche könnten sich dann noch Fernflüge leisten.
"Wenn wir weiter auf die Mechanismen des Marktes vertrauen", fährt Beck fort, "werden wir die Klimakrise nicht lösen. Auch die Grünen müssen ihr marktwirtschaftliches Kleindenken überprüfen" ... und, wie man ergänzen möchte, zum staatswirtschaftlichen Großdenken umschwenken. Planwirtschaftliche, von oben vorgegebene Lösungen haben ja noch immer besser funktioniert als invididuelle, marktgesteuerte.
Für Soziologen ist das Optimum immer erst dann erreicht, wenn alle gleich viel haben und gleich viel verdienen. Sonst hat ja immer der eine dem anderen etwas weggenommen. Für den Ausgleich soll ein allmächtiger Staat sorgen. Eine indische Mittelschicht, die sich emporarbeitet, oder deutsche Fließbandarbeiter, die Mittelklassewagen fahren und im Urlaub - Kohlendioxid hin oder her - nach Mallorca fliegen, kommen in diesem Gedankengebäude niemals vor. Sie passen einfach nicht hinein.