Berliner Seifenoper

31.5.07

Willkommen, Demokrat Putin

Laut einer Forsa-Umfrage für die Frankfurter Rundschau ist Kanzlerin Angela Merkel ihren Landsleuten unter allen G-8-Regierungschefs am liebsten. Mit 62 Prozent genießt sie das höchste Ansehen. Putin kommt mit 39 Prozent zwar nur auf den vorletzten Platz unter den Teilnehmern dieser Beliebtheitsskala, liegt aber noch um Längen vor dem einsamem Schlusslicht Bush mit 20 Prozent.

Das sind klare Verhältnisse! Und es ist voll und ganz gerechtfertigt. Elf Gründe, die für Putin und gegen Bush sprechen:
- Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck wurde in Russland jüngst am Rande einer Demonstration für die (dort nicht vorhandenen) Rechte Homosexueller kurzfristig festgenommen. Darüber hat sich sogar unser Bundestagstagspräsident bei seinem Amtskollegen, dem Vorsitzenden der Staatsduma, beschwert. Fehler! Denn die Sicherheitskräfte retteten nur Volker Becks Gesundheit und Leben vor dem rechtsradikalen Volkszorn. 1:0 für Russland.

- Amerika war und ist zwar bei der Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Paare historischer Vorreiter, und nicht mal George W. Bush hat die Uhr zurückgedreht. Aber er, der christliche Fundamentalist, würde doch, wenn er nur könnte! 0:2 aus Sicht der USA.

- In diesem Jahr wurde in Russland bereits ein halbes Dutzend Journalisten ermordet. Aufgeklärt wurde kein Fall. Die Medienmacht liegt beim politisch völlig unabhängigen Energiekonzern Gasprom. In den USA aber liegt sie beim parastaatlichen Propagandasender CNN! 0:3.

- Demonstranten verwüsteten beim Welthandelstreffen in Seattle die Innenstadt. Da war zwar noch Clinton dran - aber Amerika hat seinen Laden einfach nicht im Griff. Anders Russland: Da sind alle regierungskritischen Demonstrationen schlicht und einfach verboten. 4:0.

- Andrej Lugowoi, der Hauptverdächtige im Plutonium-Mordfall Litwinenko, hat den britischen Geheimdienst für die vermutlich von ihm und einem Komplizen verübte Tat verantwortlich gemacht. Die „Operation haltet den Dieb“ ist absolut glaubwürdig, der MI-6 streut in seiner Heimat nur so mit - in Russland gewonnenem - nuklearem Material um sich, Russen würden so etwas nie tun. Putin verweigert daher zu Recht die Auslieferung Lugowois an Großbritannien. 5:0!

- Die USA bauen in Osteuropa ein Raketen-Schutzschild gegen den Iran auf. Wettrüsten wie in den 60er und 70er Jahren! Findet auch Putin. 6:0.

- Der russische Herrscher antwortet mit einer neuen Superrakete, die – anders als amerikanische Raketen - direkt auf Westeuropa gerichtet ist. Tja, diesen Rückfall in den Kalten Krieg haben wir doch nur Bush zu „verdanken“. 7:0.

- Russland stand als Friedensmacht in Afghanistan und wehrt sich in Tschetschenien gegen terroristische Aggressoren. Amerika hingegen ist selbst der terroristische Aggressor in Afghanistan und vor allem im Irak. 8:0.

- Russland hat – wenn auch ohne Verpflichtungen und damit völlig folgenlos - das Kyoto-Protokoll unterschrieben, Amerika nicht. 9:0.

- George W. Bush zu kritisieren und ihn zu hassen ist völlig gefahrlos. Was ein Schwächling! 0:10.

- Bei Putin sollte man vorsichtig sein. Wie bei Umfragen unter Exilrussen herauszuhören ist, sind die (Ex-)Landsleute sehr zurückhaltend mit persönlichen Meinungsäußerungen geworden. Beeindruckend, dieser lange Arm nach Berlin, Paris und New York. Das ist das 11:0.Willkommen in Deutschland, Wladimir!

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7.5.07

Prüdes Amerika, sexy Deutschland

"Spiegel Online" weiß über einen neuen Skandal aus den USA zu berichten: Wal Mart ist prüde. Die größte Einzelhandelskette der Welt war zuvor bekannt für Lohndumping und Benachteiligung von Frauen. Diesem Image hat das Unternehmen jetzt gewissermaßen die Krone aufgesetzt und seine teuer eingekaufte Marketingchefin Julie Roehm wegen zu vieler erotischer Ideen gefeuert. Ein Roehm-Putsch in den USA sozusgaen.

Zuvor, bei Chrysler, hatte Roehm in der Halbzeit des Football-Endspiels Super Bowl als Werbegag Models in Reizwäsche um das braune Ei kämpfen lassen. Laut Spiegel Online war es schon da zu "lautem Protest der üblichen Moralapostel" gekommen.

Dagegen Deutschland! Wir sind ja in jeder Halbzeit eines Zweitliga-Kicks Dessous-Shows gewohnt, weil wir so locker sind.

Wal-Mart hätte also gewarnt sein müssen, gerade als eines der "prüdesten, konservativsten Unternehmen der Nation", wie "Spiegel Online" zu berichten weiß.

Dagegen Aldi! Irre cool, die Supermarktkette.

Aber es kam noch doller. "Es geht um Sex, Ehebruch, Diskriminierung und das sonstige, schlüpfrige Innenleben des Altherrenclubs Wal-Mart."

Dagegen Siemens! Da wimmelt es im Vorstand nur so von attraktiven, kreativen, allem aufgeschlossenen Mittdreißigerinnen.

Auf der Hauptversammlung von Wal-Mart ließ Roehm die Pop-Sängerin Beyoncé auftreten, "die sich vor Wal-Marts hausbackenem CEO Lee Scott in lasziven Windungen auf die Knie warf".

Dagegen Daimler-CEO Zetsche oder VW-Aufsichtsratschef Piech! Unsere Manager sind ja alle so was von sexy.
Der "Tugendwächter aus Bentonville" hatte endgültig die Nase voll, als eine Affäre Roehms mit einem Mitarbeiter der Werbeagentur von Wal-Mart ruchbar wurde.

Dagegen deutsche Konzerne! Hier wird nicht delegiert, hier erledigen die Chefs solche Affären selbst. Dann kommt auch nichts raus. Wie gut, dass unsere Wirtschaftswelt so total unprüde ist.

3.5.07

Das Klimaverhör

Was soll man wohl antworten, wenn man am Telefon von Emnid oder Infratest zum Thema „Klimakatastrophe“ mit Fragen behelligt wird wie: „Halten Sie das für ein ernstes Problem?“ – „Sind Sie bereit, mehr für den Klimaschutz zu tun, beispielsweise Standby-Geräte auszuschalten, Energiesparlampen einzudrehen oder weniger Auto zu fahren?" Alle Fragen werden gewissenhaft und schuldbewusst beantwortet. Anschließend steigt der Kohlendioxid-Ausstoß weiter.

Es gibt aber auch ernstzunehmende Umfragen zu dem Thema. Ein Teilnehmer in einem Internet-„Musikerboard“ will wissen, wie seine Kolleginnen und Kollegen zum Klimawandel stehen. An seiner Umfrage „Klima Katastrophe Deutschland! Übertrieben?“ beteiligten sich repräsentativ 19 Forumteilnehmer. Ergebnis (Tipp- und Rechtschreibfehler wurden stillschweigend übernommen):

Ja, wir sind schuld: 26,32% (5 Teilnehmer)
Nein, aber ändern können wir das leider auch nicht: 5,26% (1)
Autos und Industrie sind schuld: 31,58% (6)
Das Klima hat andere gründe!wir können nichts machen: 21,05% (4)
Das ist normal, es kommt alle 9000 jahre auf uns zu!wir sind nicht schuld: 15,79% (3)

Versucht man das Resultat zu interpretieren und in Gruppen zusammenzufassen, kommt heraus, dass lediglich 32 Prozent die Schuld bei sich suchen, hingegen 68 Prozent entweder bei der Industrie oder überhaupt keine Lust auf Schuldzuweisungen haben. Womit einmal mehr bewiesen ist, dass Menschen in hochoffiziellen Umfragen nur Dinge sagen, von denen sie glauben, dass sie diese jetzt sagen müssen - wie in einem Verhör.

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