Berliner Seifenoper

20.3.07

Die großen Elektro-Öko-Irrtümer

Wir Deutschen sind die gefühlten Umwelt-Weltmeister. Bei Licht, Wasch- und Spülmaschinen, Elektroherden und Kühlschränken, aber auch bei Industriemaschinen hält die Realität mit den guten Absichten leider nicht Stand. Die größten Irrtümer:

Irrtum 1: „Deutsche sind beim Kauf neuer Geräte schon jetzt besonders energiebewusst.“ Das Gegenteil ist der Fall: Deutsche sind besonders kostenbewusst.

Irrtum 2: „Deutsche wechseln alte Geräte zügig aus.“ Die Hälfte der 60 Millionen Küchen- und Haushaltsgeräte sind jahrzehntealte Stromfresser.

Irrtum 3: „Die deutsche Politik fördert massiv den Umweltschutz.“ Außer der Ökosteuer ist nicht viel passiert. Finanzielle Anreize beim Kauf neuer Geräte gibt es unter anderem in Holland, Spanien, Italien und sogar Brasilien - aber nicht hier.

Irrtum 4: „Wer ein Gerät der Effizienzklasse ,A' kauft, hat viel für die Umwelt getan.“ Nein, „A“ ist Mittelmaß. Den niedrigsten Verbrauch hat die Kategorie "A++", den höchsten hat "C".
Irrtum 5:
„Wenigstens kaufen die Leute immer mehr Kühlschränke der Klasse ,A++'“. Nein, deren Anteil an allen Neugeräten beträgt nur vier Prozent.

Irrtum 6: „Die meisten Menschen können sich die besten Geräte nicht leisten.“ Ein „A++“-Kühlschrank verbraucht 45 Prozent weniger Strom als ein „A“-Gerät. Das rechnet sich beim Strom schon über fünf Jahre.

Irrtum 7: „Unsere Industrie ist ökologisch vorbildlich.“ Rund 30 Millionen Maschinen und Anlagen in der Wirtschaft - vom Förderband über den Lastenaufzug bis zur Wasserpumpe – haben keinen Drehzahl-Regler. Das ist so, als würde ein Automotor vom Start weg den ganzen Tag mit Vollgas und maximaler Umdrehungszahl laufen.

Irrtum 8: „Das höchste Sparpotenzial haben die Konsumenten.“ Am Ende ist zwar alles für den Konsumenten. Aber das Stromsparpotenzial in der Industrie beträgt etwa zwei Drittel, bei Privathaushalten ein Drittel.

Irrtum 9: „Der schnellste Schritt: Energiesparlampen in die Wohnung!“ In Büros, Geschäften, öffentlichen Gebäuden und an Straßen und Plätzen ist das Sparvolumen vier Mal höher. Allerdings tut sich hier so gut wie nichts, weil die Kosten andere tragen - das Unternehmen, die öffentliche Hand und damit der Seuerzahler.
Irrtum 10: "Die Bahn ist das umweltfreundlichste Verkehrsmittel." Das umweltfreundlichste Verkehrsmittel - sowohl beim Energieverbrauch als auch bei den Kohlendioxid-Emissionen - ist der Bus.

(Quellen: Bundesumweltamt, Gesellschaft für Konsumforschung, Verbraucherzentralen-Bundesverband, Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie, www.spargeraete.de)


15.3.07

Oberstes Gericht erlaubt Nazi-Symbole

Das öffentliche Zurschaustellen von nationalsozialistischen Symbolen ist weiterhin erlaubt. Sie müssen nur durchgestrichen sein. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) im sogenannten Hakenkreuz-Streit entschieden.

Laut dem Urteil darf ein Hakenkreuz - beispielsweise an als Aufnäher an Lederjacken oder als Aufkleber an Ladentüren - straflos verwendet werden, wenn es "offenkundig und eindeutig" die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zum Ausdruck bringe. Das Landgericht Stuttgart hatte zuvor einem Händler aus der Region den massenhaften Versand derartiger Symbole verboten. Sinngemäß lautete die Begründung: Hakenkreuz ist Hakenkreuz, ob im Stile eines Parkverbotsschilds rot umrandet und durchgestrichen oder nicht. Auch könnten ausländische Besucher den Anblick einer Swastika in Deutschland missverstehen.
Staatsanwaltschaft, Verteidigung des Versandhändlers und BGH waren gleichermaßen empört. Der zuständige Richter forderte bei der Urteilsverlesung sogar dazu auf, solche Symbole zu tragen. Strafrechtlich spiele es keine Rolle, wie oft solche Darstellungen gezeigt würden. "Im Gegenteil, ein zehnfacher Protest ist vielleicht noch wirkungsvoller als ein einfacher Protest."
Also, Bürger: Heftet euch SS-Runen und Hakenkreuze an den Ärmel, klebt sie an die Haustür und ans Auto - und streicht sie durch. Die Welt wird dann wissen, dass wir die Guten sind.
Während die echten Symbole also erlaubt bleiben, haben die BGH-Richter Rechtsradikale vor dem Versuch gewarnt, verfremdete Symbole in Umlauf zu bringen. Damit ist die rechtsradikale Gefahr so gut wie gebannt. Es muss aber doch noch einen Weg geben, Rechtsradikalismus insgesamt zu verbieten. Rein sicherheitshalber. Die DDR hat das schließlich auch geschafft.

Der Fahrrad-Kindersitz

Sitzt ein kleines Kind auf einem Fahrradsitz, dann geht's in den Kindergarten oder wieder nach Hause. Doch der Fahrrad-Kindersitz ist mehr als ein Zweckgegenstand: Wird er nämlich, ungenutzt und damit für den Moment gleichsam als sinnloser Ballast, vom Anzug- oder Kostüm-tragenden Elternteil auf dem Weg ins Büro mitgeführt, ist er eine Metapher für die moderne Väter- und Müttergeneration und strahlt nach allen Seiten hin laut und energisch aus.
Schwebt der Sitz bei Papa überm Gepäckträger, lautet die unausgesprochene Botschaft: Hier kommt der "neue Vater", der Söhnchen oder Töchterchen nicht allein der Frau überlässt. Nebenbotschaft: Die Frau arbeitet auch, und zwar zu solchen Zeiten oder an solchen Orten, dass es organisatorisch besser ist, er kümmert sich um den Transport. Dritte Botschaft: Er bringt ja nicht nur hin, er holt auch ab - und krabbelt dann selbstverständlich mit dem Nachwuchs auf dem Kinderzimmerfußboden herum. Der neue Vater eben.
Ist der Kindersitz hingegen an Mamas Rad anmontiert, ist das einerseits der klassische Fall. Andererseits wird er nun erst recht zum Erfolgssymbol für die vielbeschworene Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Der Sitz ist zudem der rollende Beleg, dass hier nicht die allseits misstrauscih beäugte "kinderlose Karrierefrau" daherkommt (die ohnehin selten Fahrrad fährt). Auch die endlos vorbeiziehenden Autofahrer werden mit einer Nachricht bedacht: Rast ihr nur hektisch zum Arbeitsplatz, ich befördere derweil gemütlich und ökologisch vernünftig diejenigen, die einmal eure hohe Rente zahlen.
Und gleich, ob der leere Sitz bei ihm oder ihr mitradelt, im Geiste sitzt das Kind doch immer hinten drauf. Der leere Kindersitz ruft allen zu: Seht her, hier ist junges Familienglück. Ätsch, bätsch.

11.3.07

Wie der Porsche Cayenne das Auto-Klima ruiniert hat

Die Debatte um eine mögliche Rückständigkeit der deutschen Automobilindustrie beim Thema Schadstoff-Reduzierung hat ein erstes Opfer gefordert: den eigenen Verbands-Präsidenten. Bis zuletzt hatte Bernd Gottschalk unermüdlich versucht, den Kohlendioxid-Ausstoß deutscher Fabrikate kleinzureden. Doch wo eine "freiwillige Selbstvereinbarung" - wie so oft - nicht eingehalten wird, kann auch die beste Rhetorik nicht helfen. Und so muss Gottschalk die Versäumnisse der eigenen Branche ausbaden.

Beim Thema Sprit sparen und Schadstoffausstoß Laut der Umweltliste des ökologisch orientierten Verkehrverbands VCD ist in der Top Ten der umweltfreundlichsten Autos in Deutschland gerade mal ein heimisches Produkt vertreten (der VW Polo "Blue Motion", auf Platz 7). Die Produktion eines Drei-Liter-Autos hatte VW vor Jahren eingestellt, angeblich war die Nachfrage zu schwach. Dafür legte Volkswagen den Oberklassewagen Phaeton und ein 1001 PS starkes Super-Auto für 1,3 Million Euro pro Stück auf, den Bugatti Veyron.

Wenn es ein Auto gibt, das das deutsche Image beim Klima-Thema runiert hat, dann ist es der Porsche Cayenne: ein wie auf Stelzen daherkommender PS-Protz, der so viel Sprit schluckt wie drei Kleinwagen zusammen. Er hat auch einen dreimal höheren CO2-Ausstoß. Das Auto sprengt praktisch im Alleingang jede Selbstverpflichtung. Umweltschützer könnten scherzen: Er hat nicht nur Klima - er macht das Klima.

Es gibt weitere "Cayennes", wie den VW Touareg, den BMW X5 und die Mercedes M-Klasse. Unvergessen, dass diese Mehrtonner jahrelang als "leichtes Nutzfahrzeug" steuervergünstigt durchgingen, bis der Gesetzgeber einschritt. Dazu wiederlegt Branche mit aufdringlicher PS-Werbung eindrucksvoll ihr eigenes Argument des "Wir richten uns nur nach den Kundenwünschen".

Schuld an allem ist Herr Gottschalk. Er hätte die Branche halt bremsen (!) müssen. Nichts anderes kann es ja heißen, wenn von Managern selbst die Forderungen nach seinem Rücktritt gekommen sein sollen, denen er sofort entsprochen hat. Die deutschen Autohersteller wollen offenbar erst einmal ihre Außendarstellung verbessern, bevor sie auf die Idee kommen, verstärkt kleinere und sparsamere Autos herzustellen.

9.3.07

Prima Klima in Europa

Gute Nachricht vom EU-Gipfel in Brüssel, der erst ein Lissabon-, dann ein Energiegipfel sein sollte und jetzt zum Klimagipfel wurde: Die Mitgliedsstaaten haben die Messlatte beim "Klimaschutz" so hoch gelegt, dass sie locker drunter durchlaufen können. Bis zum Jahr 2020 soll der Kohlendioxid-Ausstoß gegenüber 1990 um 20 Prozent reduziert werden.
Zur Erinnerung: Bis 2012 lautet das Kyoto-Ziel auf minus acht Prozent, erreicht sind minus ein Prozent. Mit einem Endspurt ist nicht zu rechnen: Sanktionen gegen "Klimasünder" wird es abermals nicht geben, und derzeit sieht es eher nach einer weiteren Steigerung statt Senkung der Emissionen aus.

Jetzt folgt ein jahrelanges Gerangel, welches Land wieviel leisten muss. In dieses Gerangel werden ab Herbst China und die USA einbezogen. Herauskommen werden unverbindliche Minderungs-Absichten, die Produktion, Welthandel und Reiseverkehr nicht bremsen werden.

Europa wird den Vorreiter der Welt und Deutschland den Vorreiter Europas spielen. Für die hiesige Wirtschaft und die Bürger wird der "Klimawandel" daher ein wenig teurer daherkommen als anderswo, aber ernstliche Sorgen braucht sich deshalb niemand zu machen.

Zwar werden die ersten hysterischen Verbote neuer Kohlekraftwerke zu höheren Strompreisen und zur Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland führen, wo weniger Skrupel bestehen. Insgesamt aber werden die höheren Kosten irgendwo zwischen Tarifverhandlungen, Steuererhöhungen und allgemeinen Preissteigerungen untergehen - zumal, und das haben die "Ärzte gegen den Atomkrieg" schon richtig erkannt, massiv Leitungen hin zu Atomkraftwerken bis ins ferne Baltikum ausgebaut werden.

Die Klima-Uhr zeigt "eher fünf nach zwölf als vor zwölf" (Merkel), wir erleben die "größte Gefahr seit dem atomaren Wettrüsten" (Gabriel), die Bedrohung ist "schlimmer als der Terrorismus" (der zum Klimaschutzbeauftragten berufene britische Ökonom Nicholas Stern). Nun - bald ist es zehn nach zwölf, dann viertel nach zwölf. Die Erde wird sich weiterdrehen. Deutschland dreht sich mit.

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