Berliner Seifenoper

21.2.07

Nahost-Diplomatie für Anfänger

Seit 30 Jahren schwankt der Frieden im Nahen Osten zwischen Stillstand und Rückschritt. Scharmützel im Südlibanon, eine Mauer gegen Selbstmordattentäter – das sind keine Zeichen einer Annäherung. Dennoch wird in der internationalen Diplomatie so getan, als stünde der politische Durchbruch, die ganz große Lösung, immerzu kurz bevor. Hier die wichtigsten Floskeln:

„In den Gesprächen wurden signifikante Fortschritte erzielt“ = Es wurde nichts erreicht.
„In die Gespräche ist Bewegung gekommen“ = Es wurde geredet.

„Wir sind zuversichtlich, dass es zu einer tiefgreifenden Verständigung kommen wird“ = Wir wissen jetzt schon, dass nichts herauskommen wird.

„Die Bundesregierung misst dem Thema allergrößte Bedeutung bei“ = Die Regierung schert sich einen Dreck um das Thema, bekundet der Weltöffentlichkeit aber ihren guten Willen.

„Beide Seiten versprachen, alles dafür zu tun, den Konflikt beizulegen.“ = Beide Seiten wollen Zeit gewinnen, um sich eine überlegene Position in der nächsten Auseinandersetzungsrunde zu sichern.

16.2.07

Die neue Infantilität

Erwachsene würden immer kindischer, ist hie und da zu lesen. Stimmt das auch? Aber ja. Die künftige Sonntagabend-Moderatorin Anne Will sagte im "Spiegel"-Interview: "Zur Party meines 40. Geburtstags im vergangenen Jahr kamen (die Kolleginnen) Maybritt Illner und Marietta Slomka. Nachts grölten wir Karnevalslieder, bis die Polizei kam, weil's zu laut war."

Es ist die Generation Kinderlos, die, ob Mann oder Frau, im (einstmals) gereifteren Alter noch "20" spielt. Bar jeder Verantwortung, außer für Einschaltquoten, kann sie sich eben noch mit vierzig Jahren zivilisiert danebenbenehmen. Die Polizei ist die Trophäe - der Beweis des vermeintlichen Junggebliebenseins. Das leicht beschwipste Mitternachtssingen sieht nach einer spontanten Attitüde aus, ist aber so aufgesetzt wie der Karneval selbst und doch nur der Versuch, sich das Altwerden wegzusingen. Was Männer können, das können wir auch, lautet die nächste Botschaft. Nur was dort als ordinär gilt, ist bei uns natürlich total sexy. Und die Polizisten waren beim Anblick der bekannten Damen sicher ganz verlegen und überhaupt sehr höflich.

12.2.07

Der Frauen-Staatssekretär

Es gehört zum Wesen der Politik, Trends grundsätzlich zu verschlafen, weil sie stets voll damit ausgelastet ist, dem Zeitgeist zu gefallen. Erst wenn der Trend übermächtig wird, springen die Politiker hinten auf den Zug auf und setzen sich allmählich an die Spitze der Bewegung, um zu behaupten, dort eigentlich immer schon gewesen zu sein.

Ein schönes Beispiel sind Frauen. Für sie haben sich Politiker jahrzehntelang nicht interessiert, bis sich die schreiende Ungleichbehandlung gesellschaftlich Bahn brach und nicht mehr übersehen ließ. Flugs erfunden wurden Frauenbeauftragte, Frauenministerinnen - und in Berlin sogar die Institution des „Staatssekretärs für Wirtschaft, Technologie und Frauen“.

Was dieser Mann mit diesen in einen Topf geworfenen Funktionen macht, ist der breiteren Öffentlichkeit zwar nicht weiter bekannt. Aber weil er, wie so oft in der Politik, in Wahrheit nichts bewirken kann, sollte er wenigstens Frauen keine Tür aufhalten, sie im Restaurant die Rechnung bezahlen sich von ihnen in den Mantel helfen lassen, Komplimente bezüglich der Abendgarderobe unterdrücken, Themen wie die italienische Küche oder Innendekorationen vermeiden und stattdessen endlos über Fußball und Autos dozieren: als Beitrag zu echter Gleichberechtigung.

9.2.07

Die Klima-Hitliste

Jetzt, wo wir alle dank der UN-Klimastudie wissen, dass wir dem Untergang geweiht sind, ist es Zeit für eine erste Reaktions-Hitliste der größten Klima-Kapriolen.
Platz 9: Der Berliner Senat überschlägt sich bei der Vorstellung, am 7. Juli eines der "Live Earth"-Popkonzerte ausrichten zu dürfen. "Alles, was dem Klimaschutz dient, sollte unternommen werden", heißt es aus der Senatskanzlei, vom Wirtschaftssenator und von der Umweltsenatorin. Was sie allesamt meinen: Alles, was dem Berlin-Tourismus dient, sollte unternommen werden.
Platz 8: Australien will ab 2012 nur noch Energiesparlampen zulassen. Emissionen Australiens pro Jahr: 600 Millionen Tonnen CO2. Erwarteter Einspareffekt: 800.000 Tonnen oder 0,13 Prozent.
Platz 7: Ein Fachmann der Berliner Baubehörde sagt in einem Interview, die Schäden am Berliner Hauptbahnhof infolge des Sturms "Kyrill" beruhten auf der Klimaveränderung. Mit anderen Worten: Der Wind, das himmlische Kind, ist verantwortlich, nicht Architekt, Baufirma oder Bauaufsicht.
Platz 6: "Angesichts des sich verschärfenden Klimawandels" wollen SPD-Umweltpolitiker "die steuerlichen Privilegien für spritfressende Dienstwagen kappen", meldet eine Nachrichtenagentur. Die Kosten für Firmenwagen sollten nur noch bis zu einer "klimapolitisch vertretbaren Höhe" von der Steuer absetzbar sein. Wir sind gespannt auf eine Festlegung, welches Auto gerade noch "klimapolitisch vertretbar" ist und welches nicht.
Platz 5: "Der Klimawandel bringt mehr Hitzetote und weniger Produktivität", besagt eine Studie des Kieler Wirtschaftsinstituts IfW und dem Naturschutzverband WWF. Liest man genauer, stellt sich heraus: Das passiert nur, wenn es keine Anpassungsprozesse gibt. Warum die Menschen in südlichen, wärmeren Ländern nicht schon heute laufend sterben, wenn der Sommer kommt, wird nicht erläutert.
Platz 4: "86 Prozent wollen deutsche Vorreiterrolle beim Klimaschutz" meldet Greenpeace und beruft sich auf eine Umfrage. Diese hatte aber lediglich zum Ergebnis, dass 86 Prozent von 1002 Bundesbürgern für eine "deutliche Reduzierung der deutschen CO2-Emissionen" sind. Ach, ist doch dasselbe. Außerdem wollen 63 Prozent "in den nächsten Jahren auf Flugreisen verzichten" und 72 Prozent "ein kleineres, sparsames Auto umsteigen". Merkwürdig nur, dass seit Jahren das Gegenteil geschieht.
Platz 3: "Der britische Luftfahrt-Unternehmer Richard Branson hat 25 Millionen Dollar für denjenigen Forscher ausgelobt, der als erster einen Weg zur Reduzierung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre findet." Das kann nur noch durch folgende Meldung übertroffen werden: "Mafia lobt Preisgeld für neue Wege zur Verbrechensbekämpfung aus."
Platz 2: "Der Zentralverband Sanitär, Heizung, Klima-, Gebäude- und Energietechnik ruft zum Klimaschutz auf." In der Einladung zu einer Pressekonferenz heißt es: "Anfang Februar haben UN-Klimaexperten eine viel beachtete Studie über die fortschreitende Erderwärmung vorgestellt. Verantwortlich für den beschleunigten Klimawandel ist - da sind sich die Experten einig - der Mensch. Neben den Autoabgasen verursachen auch in Deutschland noch immer veraltete Heizungsanlagen unnötige CO2-Emissonen. Was ist also zu tun?" Keine Frage, was zu tun ist: Die Unternehmen der Branche die Welt retten lassen.
Platz 1: CSU-Generalsekretär Markus Söder schlägt vor, die Erbschaftsteuer an den Klimaschutz zu koppeln. Bei der Vererbung von Immobilien solle sich die Höhe der Steuer danach richten, wie gut die Gebäude unter ökologischen Gesichtspunkten modernisiert würden. "Wer energetisch saniert, muss deutlich weniger Erbschaftsteuer zahlen." Warum der Umweg? Was Not tut, ist eine Klimasteuer generell auf Kinder. Denn das sind die Energieverbraucher und Umweltverschmutzer von morgen. Eltern von Neugeborenen sollten mit einer Klima-Strafsteuer von mehreren hundert Euro im Monat belegt werden.