Berliner Seifenoper

23.4.07

Verspießertes Second Life

Verkommt "Second Life" zu einer verspießerten Shopping Mall mit angeschlossener Arbeitsvermittlung? Nach einigen sich "hip" gebenden oder fühlenden Unternehmen aus dem "First Life" wie Adidas oder BMW hat nun auch die Gothaer die virtuelle Lebenswelt entdeckt.

"Als erster deutscher Versicherer sucht der Gothaer Konzern in der virtuellen Welt 'Second Life' nach neuen Mitarbeitern, Unternehmeragenturen und Kundenberatern", teilt das Unternehmen mit. "Über ein Anzeigenplakat in der Online-Welt werden die Benutzer direkt auf die Gothaer Karriereseiten geleitet." Gesucht werden "sowohl selbständige Unternehmer für den Vertrieb als auch Hochschulabsolventen und berufserfahrene Mitarbeiter für anspruchsvolle Aufgaben als Angestellte im Innen- und Außendienst".

Herzlichen Glückwunsch. Wen hätten wir denn da im Angebot? Ein paar Teenie-Mädchen, die sich virtuell schick für die Disco machen und, in Vorbereitung aufs echte Berufsleben, mit Kellnern ein paar Linden-Dollars verdienen? Oder ein paar Typen, die auf virtueller Abschleppsuche sind und ihre Linden-Dollars für virtuelle Designerklamotten ausgeben? Jetzt fehlen noch Siemens und die Telekom, so sie nicht schon da sind, und bald ist Nintendos "Mario Brothers" zehnmal so originell wie "Second Life".

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19.4.07

Kinder haben Zukunft

Unsere Freunde von den Öffentlich-Rechtlichen haben die Kinder für sich entdeckt. Unter dem Allerweltsmotto „Kinder sind Zukunft“ dürfen sie sich eine Woche in Erwachsenensendungen austoben.

So erfahren wir im Radio, wie deutsche Kinder die Zukunft sehen: Die Umwelt ist vergiftet, Wälder wird es nicht mehr geben, Roboter verdrängen echte Arbeit. Immerhin, ein Kind wird mit einer Prognose zitiert, die der Realität nahe kommen könnte: „Katzen werden Brillen tragen.“

Die „Bild“-Zeitung will da nicht zurückstehen und lässt das knapp zwölfjährige Töchterchen eines der stellvertretenden Chefredakteure kommentieren. Sie hat „im Fernsehen gesehen, wie die Eisbären von einer Scholle auf die andere springen, weil das Eis schmilzt. Das macht mir echt Angst“. Aber sie ist aktiv geworden: „Ich knipse zum Beispiel immer das Licht in meinem Zimmer aus“ (wann? Wenn sie hereinkommt?), „und wenn wir am Wochenende Brötchen kaufen, wollen wir jetzt immer mit dem Fahrrad zum Bäcker fahren und nicht mit dem Auto. Das macht echt Spaß und ist auch viel gesünder.“ Und Eisbären müssen bald nicht mehr von Scholle zu Scholle springen.

Eine schon zwölfjährige Gymnasiastin aus Berlin darf den Kommentar in den ARD-Tagesthemen sprechen: „Wenn ich mir vorstelle, dass halb Deutschland überschwemmt wird, bekomme ich Angst.“ Aber alles könne noch gut werden, „wenn die Industrie richtig mitmacht und sparsame Autos baut".

Die beiden Mädchen und auch ihre etwas jüngeren Zeitgenossen im Radio haben zwei wichtige deutsche Erkenntnisse also schon mal verinnerlicht. Erstens: Angst ist immer ein erstklassiger Ratgeber, vor allem bei der Bewältigung großer Aufgaben. Zweitens: Die Industrie - spricht: der Kapitalismus - ist an allem Schuld.

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18.4.07

Widerstandskämpfer Filbinger

Der baden-württembergische Ministerpräsident Oettinger hat seinem Vorgänger Filbinger endlich eine gebührende Würdigung zuteil kommen lassen: als engagierter Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime. Nur zur Tarnung war Filbinger 1937 der NSDAP beigetreten. Ansonsten hat er, wie wir dank Oettinger jetzt wissen, unter der Nazizeit "gelitten". Filbingers Tätigkeit als Marinerichter ist nichts weniger als ein weiterer Beweis seiner bisher unerkannten Untergrundtätigkeit - war nicht auch Stauffenberg hoher Militär?
Leider haben das mit Filbinger andere in der CDU noch nicht so richtig verstanden, beispielsweise Kanzlerin Angela Merkel. Sie distanzierte sich schnell von Oettinger und stellte klar, dass die CDU nicht die Partei der Altnazi-Verteidiger - pardon: nicht die Partei der bisher unentdeckt gebliebenen Widerstandskämpfer ist.
Das wiederum hat Brandenburgs CDU-Innenminister Schönbohm nicht verstanden und meinte, mit ihrer Kritik habe Merkel einen öffentlichen Parteienzwist in der CDU ausgelöst. Damit löste Schönbohm postwendend einen öffentlichen Parteienzwist in der CDU aus. Schönbohm hat natürlich recht. Wenn einer in der Partei vorprescht und lobende Worte über Nazi-Richter findet, dann haben alle anderen aus Gründen der Parteiräson den Mund zu halten.

4.4.07

Klima-Weisheiten von Ulrich Beck

Soziologen, so lautet das Klischee, haben ein klares Weltbild. Darin nehmen die bösen Reichen den guten Armen und die bösen kapitalistischen Staaten dem lieben Rest der Welt das Geld weg.
Der Soziologe Ulrich Beck bestätigt das Klischee eindrucksvoll. "Wer mehr verbrauchen will, müsste extra bezahlen", sagt er in einem Interview mit der "taz" kritisch zu Überlegungen in Großbritannien, einen privaten Kohlendioxid-Emissionshandel einzuführen. "Arme Leute wären davon am meisten betroffen. Die könnten dann mit dem Auto nicht mehr hinfahren, wo sie wollen."
Merke: Wenn ein Armer mit dem Auto fährt, hat das keine Auswirkungen. Nur wenn ein Reicher mit dem Auto fährt, ist das klimaschädlich.
Nun würde dieser Emissionshandel ja so funktionieren, dass die Supermarktverkäuferin, die mit dem Bus (oder dem Kleinwagen) zur Arbeit kommt und höchstens mal Ferien in Bornemouth macht, für teuer Geld ihre Emissionsrechte an den Mananger in der Londoner City verkaufen könnte, der täglich mit der Limousine ins Büro, zweimal die Woche nach Manchester und einmal im Monat nach New York fliegt. Aber so weit hat Beck nicht denken wollen, denn dann wären die Armen ja die Gewinner gewesen.
Lieber lässt er sich an seinen Beststeller "Risikogesellschaft" erinnern, der zum Atomunfall von Tschernobyl 1986 erschien und den Nerv der untergangssehnsüchtigen Deutschen traf. Die "Reichen", sagt Beck im Rückblick, seien "auf irgendwelche Inseln" geflüchtet. "Aber sie stellten fest, dass die nukleare Wolke sie dort einholte."
Das ist eine völlig neue Erkenntnis: Bislang nämlich hielt sich die nukleare Wolke nach gängiger Auffassung wochenlang und ausschließlich über dem Bundesgebiet.

Beim Klimawandel gilt laut Beck: "Wird eine Hafenstadt infolge des steigenden Meeresspiegels überschwemmt, bauen sich die Wohlhabenden neue Häuser auf den Hügeln. Die Armen haben diese Möglichkeit nicht."

Preisfrage: Die Regierungen welcher Länder werden im Falle des Falles als letzte der breiten Masse helfen - A: amerikanische, asiatische und europäische Demokratien, B: nahöstliche und afrikanische Theokratien, Autokratien und Diktaturen?

"Wohlhabenden", fordert Beck, "sollte man einen höheren Beitrag für den Klimaschutz abverlangen als armen." Glückwunsch. Genau das ist die Idee des Emissionshandels - aber innerhalb der Industrie, nicht unter Individuen, denn letzterer wäre nur in einem Orwell-Staat kontrollierbar. Allerdings kann Beck dann immer noch im Chor mit "Bild" jammern, nur Reiche könnten sich dann noch Fernflüge leisten.
"Wenn wir weiter auf die Mechanismen des Marktes vertrauen", fährt Beck fort, "werden wir die Klimakrise nicht lösen. Auch die Grünen müssen ihr marktwirtschaftliches Kleindenken überprüfen" ... und, wie man ergänzen möchte, zum staatswirtschaftlichen Großdenken umschwenken. Planwirtschaftliche, von oben vorgegebene Lösungen haben ja noch immer besser funktioniert als invididuelle, marktgesteuerte.
Für Soziologen ist das Optimum immer erst dann erreicht, wenn alle gleich viel haben und gleich viel verdienen. Sonst hat ja immer der eine dem anderen etwas weggenommen. Für den Ausgleich soll ein allmächtiger Staat sorgen. Eine indische Mittelschicht, die sich emporarbeitet, oder deutsche Fließbandarbeiter, die Mittelklassewagen fahren und im Urlaub - Kohlendioxid hin oder her - nach Mallorca fliegen, kommen in diesem Gedankengebäude niemals vor. Sie passen einfach nicht hinein.

2.4.07

Antisemitismus beim Berliner Polizeinachwuchs

Bei einer Lehrveranstaltung unter Berliner Polizeischülern über die Judenvernichtung muss, so genau kann das keiner mehr sagen, irgendwie in oder am Rande der Veranstaltung oder Unterrichtsstunde von einem oder mehreren Jungpolizisten sinngemäß geäußert worden sein, man wolle nicht ständig über den Holocaust belehrt werden. Das geschah in Gegenwart eines 83-jähriger Holocaust-Überlebenden.

Der Fall wurde von Radio und Zeitungen umgehend mit großer Empörung zum „antisemitischen Vorfall in der Berliner Polizei“ erklärt. Es wurde angedeutet – es war ja nicht wirklich so – bei der Polizei werde der Holocaust geleugnet. Der Polizeipräsident sprach als erster in einer Rede entschuldigend von dem Fall, der Innensenator erwog die Entlassung des oder der Betroffenen, so sie denn ausfindig zu machen seien.

Die Eigendynamik war nicht mehr aufzuhalten. Politik und Presse nutzten den willkommenen Anlass, sich auf die Schulter zu klopfen, was für aufmerksame, aufrechte Menschen und Institutionen sie seien, die schon den Anfängen energisch wehrten.

Rechtsradikalismus darf in der Polizei keinen Platz haben. Aber die reflexhafte Gleichschaltung sollte in einer freien Gesellschaft auch keinen Platz haben. Doch wird stattdessen nicht nur jede laute, sondern auch jede leise Äußerung zur Frage der möglichweise manchmal übertriebenen Belehrung mit der Vergangenheit sofort als „antisemitisch“ niedergebügelt. Darüber nachzudenken, wie viel Schuldgefühl-Infiltrierung jungen Menschen zuzumuten ist, die zwar historische, aber keine persönliche Verantwortung tragen – ist strrrrrrreng verboten!, denn der Nachdenker würde sofort selbst in Antisemitismusverdacht geraten.

1.4.07

Die USA - eine faschistoide, totalitäre Diktatur

Einer Forsa-Umfrage für den "Stern" zufolge halten 48 Prozent der Bundesbürger die USA für eine größere Bedrohung für den Weltfrieden als Iran. Nur 31 Prozent halten Iran für gefährlicher. Das ist beunruhigend, denn noch haben nicht 100 Prozent der Deutschen erkannt, dass es sich bei Amerika um eine totalitäre Weltvernichtungsdiktatur handelt, bei Iran hingegen um ein friedliebendes, weltoffenes Land.
In Internet-Forumsbeiträgen kommt die Verzweiflung deutscher Amerika- und Nahostexperten über das Unwissen vieler ihrer Landsleute zum Ausdruck. So findet es ein "master_of_chaos" einfach “erschreckend, dass es nur 48% sind. Dies bedeutet, dass immer noch die Mehrheit der Bevölkerung keine eigene Meinung hat".
"Stellen Sie sich doch mal in einen amerikanischen Flughafen und zitieren Sie aus dem Koran, ich bin gespannt, wie schnell Sie in Sicherheitsverwahrung kommen“, antwortete ein "Malt" wütend auf einen Dummerjan, der es gewagt hatte, die USA als Demokratie zu bezeichnen. Am Frankfurter Flughafen käme man in diesem Fall sicher unbehelligt an Bord eines Jumbo Jets.
Ein "fanator72" (!) erinnert uns daran, dass die USA „... auch die A-Bombe bereits in einem Krieg eingesetzt" haben, was "viele leider viel zu schnell vergessen“. Das sollten wir auf keinen Fall vergessen. Denn je mehr wir mit dem Finger auf Amerika zeigen, desto intensiver können wir unsere eigene Vergangenheit vergessen.
"Lohn John" bescheinigt den USA, dass sie bei militärischen Konflikten "den langjährigen Dauertabellenführer Römisches Reich mittlerweile locker überholt haben“. In dieser Statistik fallen insbesondere der Erste und Zweite Weltkrieg ins Gewicht.
"Selbst unter Khomenei”, fährt “Long John” fort, “hat der Iran keine anderen Staaten angegriffen." Nein – Khomeini hat nur zum Heiligen Krieg aufgerufen, eine Fatwah (Todesbann) über den Schriftsteller Salman Rushdie ausgesprochen und eine Generation von Bombenlegern und Selbstmordattentätern beeinflusst. Das verbuchen wir unter der Rubrik "Meinungs- und Redefreiheit".
Ein "fun4five" stellt fest: „Früher war der böse kommunistische Russe der Feind" (i wo, es war der gute kommunistische Russe! Woher die Vorurteile?), "dann kam eine Durststrecke, bis endlich wieder ein neuer Feind, Terrorismus, gefunden war.“ Die Terroristen fanden sich tatsächlich im World Trade Center am 11. September 2001 recht lautstark ein. Wir danken ihnen, zur Überwindung der "Durststrecke" beigetragen zu haben.
Islam-Fachmann "NeuerMensch" findet es "lächerlich, als Europäer oder Amerikaner den Iran als agressiv und gefährlich zu brandmarken. Iran wird von religiösen Fundamentalisten regiert. Nicht mehr und nicht weniger." Das ist gelebte Toleranz! Demokratie hier, Theokratie dort, Menschrechte hier, Todesstrafen da - jeder muss halt nach seiner Facon selig werden.
"Die Reden des Präsidenten", fährt "NeuerMensch" fort, "wurden zum Teil bewusst falsch übersetzt. So sprach er nie von der 'Vernichtung Israels'". Ja, wer lediglich sagt, Israel müsse aus den Geschichtsbüchern getilgt werden - hat ja nur von Büchern gesprochen. Hinzuzufügen wäre, dass Iran ganz sicher nicht die Raketen der Hisbollah finanziert hat, die 2006 tausendfach auf Israel abgeschossen wurden.
"Rosenengel" belehrt uns, dass sich die Nürnberger Prozesse "gegen Deutsche (!) in nichts von den heutigen Prozessen in Guantanamo unterschieden" hätten. "Sie waren sogar noch willkürlicher und grausamer." Das werden Altnazis und deren geistige Nachfolger sicher gerne hören. "Demokratie? Es war erst lange nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als in den USA die Rassentrennung aufgehoben wurde." Tja - da fehlte ihnen einfach lange Zeit das Demokratie-Vorreiterland Deutschland. "Der Ku-Klu-Klan existiert aber weiter." Na wenn das kein Beweis für das totalitäre, freiheitsfeindliche System in den USA ist.
Ein "atride" hat herausgefunden, dass George W. Bush der wahre "Gotteskrieger" ist. Die Konferenz in Teheran, bei der die Judenvernichtung "wissenschaftlich" in Zweifel gezogen worden war, erwähnt er nicht: Man muss halt beim Wesentlichen bleiben.
Forum-Schreiber an die Macht! Erst wenn wir alles Schlechte immer nur bei anderen, nämlich den Amerikanern suchen - erst dann finden wir zu unserem wahren, reinen Selbst. Dann wären wir auch dem friedliebenden Iran und seiner Führung geistig noch ein Stückchen näher.
Aber wie geht es mit dem Schreckensland USA weiter? Forum-Teilnehmer "Antidemokrat" (!) dagegen: "Der Dollar ist bald nix mehr wert, die Immobilien-/Kreditblase in den USA platzt gerade, und überall auf der Welt droht der Ölhandel weg vom Dollar zu gehen ... Das wär's dann gewesen für die USA." Mit anderen Worten: Das Problem löst sich ohnehin von selbst.

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